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Im Sommer des Jahres 2009 wurde Tong von Perspective Magazine eingeladen, nach New York zu kommen, um dort ein Interview zu geben. Den Leser wird es nicht wundern, dass das Goldstück der Redaktion, Ally Bright für dieses Interview engagiert wurde – hatte sie doch kürzlich erst Superstar Johnny Tepp dazu gebracht, von seiner Affäre mit Meira Knightley während der Dreharbeiten zu Buch der Karibik zu erzählen.
Anstatt Rede und Antwort in der Lounge der Perspective Magazine – Redaktion zu stehen, bat Tong aber darum, sich doch im Central Park zu treffen. Also zog Ally Bright an diesem warmen Augustnachmittag los, um mit Tong auf einer Parkbank unter Joggern und Müttern mit Kinderwägen über den Vietnamkrieg und einer Kommerzhölle zu reden, den Geschichten aus der Vergangenheit seines Musikerlebens zuzuhören und vielleicht auch etwas von seinen Plänen für die Zukunft zu erfahren.

Perspective Magazine :
Wie kommt es dazu, dass du es vorziehst, das Interview im Central Park zu geben?

Tong:
Ich bin das erste Mal hier in New York und überhaupt in den Vereinigten Staaten. Ich kannte den Central Park bisher nur aus Filmen und er ist wirklich so schön, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe. Auf der Liste der bekanntesten Orte New Yorks steht dieser Park sicher sehr weit oben und ich finde es cool, später mal zu erzählen, dass ich hier ein Interview gegeben habe. Ich freue mich, jetzt endlich auch einmal in den Staaten zu sein.

Perspective Magazine :
Welches Land würdest du denn noch gerne bereisen?

Tong:
Ich bin mir sicher, dass viele Leute diese Frage wie aus einer Pistole geschossen beantworten können und meistens wird dann Australien und Afrika angegeben. Ich habe kein wirkliches Urlaubstraumziel. Natürlich würde mir eine Reise nach Afrika oder Australien auch sehr gefallen, aber ich stelle es mir auch anstrengend vor, sich wochenlang mit schwerem Gepäck durch die Wildnis zu kämpfen. Ich glaube, ich sollte es einfach mal tun, um diesen Gedanken mit atemberaubenden Eindrücken von den Landschaften und Kulturen zu ersticken… Wenn es von mir eine persönliche TopTen-Liste von interessanten Ländern geben würde, dann würde ausnahmslos Indien mit dabei stehen.

Perspective Magazine :
Du bist in Deutschland geboren. Warst du denn schon mal in deinem Heimatland?

Tong:
Ja, zuletzt vorgestern Nacht. Es war richtig schön, die Lichter der Stadt Frankfurt beim Abflug zu beobachten (grinst).

Perspective Magazine :
(lacht) Du weißt, was ich meine. Na gut, ich werde es anders formulieren. Warst du schon in dem Land, aus dem deine Eltern herkommen, wenn sie nicht in Deutschland geboren sind?

Tong:
Das werde ich oft gefragt. Nein, ich bin noch nie in Laos gewesen. Meine Eltern kamen 1979 als Flüchtlinge nach Deutschland und hatten da ein Leben im Mittelstand aufgebaut. Sie konnten es sich selbst nicht leisten, dort hin zu reisen und meinen Großvater zu besuchen, der noch dort lebt. Und wenn du mich jetzt fragst, ob ich denn vorhabe, nach Laos zu reisen, dann werde ich dir erzählen, dass ich es nicht plane.

Perspective Magazine :
Genau das wollte ich dich jetzt fragen. Warum nicht?

Tong:
Also, ich plane es zumindest noch nicht. Natürlich bin ich nicht abgeneigt und würde es auch sicher spannend finden, aber für mich ist das Herkunftsland meiner Eltern nicht unbedingt interessanter als andere ferne Länder. Logischerweise bin ich persönlich mit Laos verbunden, aber wenn ich irgendwann einmal dort sein sollte, dann würde ich mich nach einiger Zeit wahrscheinlich auch nicht anders fühlen, wie wenn ich zum Beispiel in Indien oder in Afrika wäre — eine fremde Umgebung mit einer fremden Kultur.

Perspective Magazine :
An welchen Orten der Erde bist du bisher dann sonst noch gewesen? image

Tong:
Ich habe erst sehr spät das Reisen angefangen. Als Teenager bin ich mit meinen Eltern zwei, drei Male nach Frankreich gefahren, um meine große Schwester zu besuchen. Sie hat früh geheiratet und hatte damals schon zwei Kinder. Die richtigen Urlaube habe ich aber erst ab 21 Jahren gemacht. Wo bin ich überall gewesen… Frankreich an der Südwestküste, Tunesien, Türkei, Griechenland, Spanien, Finnland und in der Schweiz und Österreich zum Skifahren. Der Urlaub letztes Jahr in Barcelona hat mir sehr gut gefallen!

Perspective Magazine :
Hast du neben deiner Schwester in Frankreich noch weitere Geschwister?

Tong:
Ja, zwei Brüder und noch eine kleine Schwester, die aber mittlerweile auch schon 20 Jahre alt ist. Meine zwei Brüder sind 21 und 24 Jahre alt. Sie leben alle in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin, wo sie mit meinen Eltern 2006 ausgewandert sind.

Perspective Magazine :
Aus welchem Grund wollten sie nicht mehr in Deutschland leben? image

Tong:
Meine Eltern haben die Geschwister buchstäblich dazu gezwungen, nach Amerika mit zu gehen. Es ist ihnen wirklich sehr schwer gefallen, sich von ihren Freunden und der vertrauten Umgebung zu trennen. Nach jahrelanger Unentschlossenheit trafen meine Eltern dann letztendlich die Entscheidung, den Papierkrieg mit den Ämtern wieder aufzunehmen und den Antrag zur Aufnahme in die Staaten einzureichen. Viele Leute fragen mich, warum es für sie so einfach war, die Aufenthaltserlaubnis zu bekommen und ich muss jedesmal gestehen, dass ich über die Details selber wenig weiß. Ein großer Teil der Verwandtschaft lebt seit der Flucht aus Laos in den Staaten und es hatte schon seit etwa 1985 die Korrespondenz zwischen dem US-Konsulat, meiner Tante und meinen Eltern gegeben, uns als Flüchtlinge in das Land einreisen zu lassen. Während des Vietnamkrieges kämpften viele Hmongs — so heißt das Bergvolk, aus dem meine Eltern stammen — auf der Seite der Amerikaner gegen den Vietcong, wofür die USA als Gegenleistung Aufenthalt für die staatenlosen Flüchtlinge in ihrem Land bot. Mit Frankreich beteiligte sich auch Deutschland daran und nahm vier Familien in Baden-Württemberg auf. Darunter war auch meine.
Nun, jedenfalls schien dieses Privileg der damals betroffenen Hmongs, in die USA einzureisen angehalten zu haben, so dass es meine Eltern vor drei Jahren schließlich in Anspruch nahmen. Und um auf deine Frage einzugehen — Mom und Dad wollten angeblich nur aus einem einzigen Grund auswandern: endlich mit den Verwandten zu leben und wieder unter den vielen Landsleuten zu sein. Ich persönlich habe da noch andere Ansichten, aber das würde jetzt zu weit führen.

Perspective Magazine :
Das klingt, als hättest du kein sehr gutes Verhältnis zu deinen Eltern…?

Tong:
Das kann man so sagen. Die Kommunikation zwischen uns hat sehr stark gelitten, weil ich meine Muttersprache nicht sehr gut beherrschte und meine Eltern wiederum die deutsche Sprache nur sehr schlecht gesprochen haben. Man kann sich also vorstellen, wie Diskussionen geführt worden sind. Mittlerweile bin ich komplett aus der Übung was die Hmong-Sprache angeht…

Perspective Magazine :
Ist das — deiner Meinung nach — schlechte Verhältnis zwischen dir und deinen Eltern hauptsächlich auch der Grund, warum du nicht mit nach USA wolltest?

Tong:
Nein, das ist es nicht vordergründig. Ich habe von Kindheit an gelernt, in Deutschland zurecht zu kommen und will das nicht aufgeben. In Deutschland bin ich daheim und ich glaube, das Land braucht mich auch (lacht).

Perspective Magazine :
Von hier aus ist es vergleichsweise nur ein Katzensprung zu deinen Eltern. Wirst du sie nach dem Interview besuchen?

Tong:
Nein, ich fliege übermorgen schon wieder nach Deutschland. Meine Mom würde mich sonst einschließen und fesseln und mich für immer in Milwaukee gefangen halten. Das kann ich dir jetzt schon sagen.

Perspective Magazine :
So tyrannisch?

Tong:
Nein. Scherz beiseite. Ich liebe meine Eltern und sie lieben mich auch, nur eben auf eine ganz eigene Art. Dir diese jetzt zu beschreiben würde aber den Rahmen sprengen. Es ist alles sehr kompliziert…

image Perspective Magazine :
Wo genau bist du in Baden-Württemberg aufgewachsen?

Tong:
Meine Eltern hatten ein Reihenhaus in Gammertingen, einem Ort mit 7000-Einwohnern auf der Schwäbischen Alb. Wir haben in einer Gegend am Rande des Ortes gewohnt und hatten als Kinder keinen weiten Weg bis zum Wald und zu den Feldern. Meine Kindheit war ein reinstes Abenteuer. Wir hatten Feinde und Freunde und Freunde, die zu Feinden wurden und Feinde, die Freunde wurden und Freunde, die Freunde blieben und Feinde, die Feinde blieben.

Perspective Magazine :
(lacht) Was?

Tong:
Nein, ich will nur sagen, dass die Spielkameraden aus der Kindheit nie in Vergessenheit geraten werden. Zumindest ist das bei mir so. Wenn ich von ihnen träume, dann sprechen und spielen sie mit mir, ohne aber, dass sie groß geworden sind — während ich mich so sehe wie vor dem Spiegel, bevor ich schlafen gehe und diesen Traum träume. Das ist wirklich so wie in Filmen.

Perspective Magazine :
Wann hat deine Kindheit angefangen und wann hat sie aufgehört?

Tong:
Also, vor dem 2. Februar in den frühen Achtzigern hat sie auf keinen Fall angefangen. Wann sie aufgehört hat? Ich muss gerade an den Film The Crow denken. Darin sagt der Böse: Die Kindheit ist dann vorbei, wenn du weißt, dass du stirbst. Filme hin oder her — mir gefällt der Gedanke und im Sinne des Lernprinzips bleibt man tatsächlich bis zum Tode ein Kind. Ich kann nicht genau sagen, ob ich wirklich erwachsen bin, oder das irgendwann mal werde (grinst).

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Perspective Magazine :
Wann kam die Musik in dein Leben?

Tong:
Ich war ungefähr 10 Jahre alt, als wir ein kleines Kinder-Keyboard von meinen Eltern geschenkt bekommen hatten. Dieses Ding hatte vielleicht einen Tastenbereich von zwei Oktaven und konnte ein kleines Demo vorspielen. Irgendwann habe ich versucht, dieses Demo nachzuspielen, indem ich die Tonabfolge mit einem Stift auf die Tasten aufgemalt habe, um sie mir zu merken. Das waren die ersten Schritte auf meinem Weg zur Covermusik.

Perspective Magazine :
Dann ist die Gitarre gar nicht das erste Instrument, das du gelernt hast zu spielen?

Tong:
Ja, eigentlich nicht. Sie kam etwa ein Jahr später ins Spiel. Mein Onkel spielte Gitarre und ich hielt es nicht aus, dass immer mehr Freunde von mir nacheinander auch das Gitarrespiel lernten und auch konnten und ich nicht dazu gehörte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es auch zu versuchen.

Perspective Magazine :
Wie hast du es gelernt?

Tong:
Mein Onkel zeigte mir die ersten Griffe und ich schaute mir auch viel ab. Allerdings war es eine echte Herausforderung, auf einer Gitarre zu spielen, die mich, von vorne gesehen fast komplett verdeckt hat, weil ich noch so klein war. Außerdem war es eine klassische Gitarre mit Stahlsaiten, die so aufgespannt waren, dass der Abstand zwischen Griffbrett und Saite ziemlich groß war. Also, um es irgendwie hin zu kriegen, legte ich meinen Arm über den vorderen, kleineren Teil des Resonanzkörpers und schlug die Saiten über dem Griffbrett anstelle des Schalllochs.

Perspective Magazine :
Gab es noch andere Gitarrenlehrer außer deinen Onkel?

Tong:
Ja, Per Gessle von Roxette war auch einer von den Ersten (grinst). Mein Onkel hat mir eigentlich gar nicht so viel gezeigt, im Sinne von Unterricht geben. Wir spielten oft zusammen, auch mit anderen, und ich lernte durchs Zuschauen und Zuhören. Der gute Mister Gessle hat mir natürlich nicht persönlich Gitarrespielen gelehrt. Ich hörte gerne die Musik von Roxette, auch wenn das jetzt komisch klingt (lacht), aber es gab für mich nichts Besseres zu dieser Zeit. Ich versuchte irgendwann, die Roxette-Songs nacheinander nachzuspielen und freute mich jedesmal, wenn ein neues Album von der Band erschien. Das Album Tourism hat im Vergleich zu den vorhergehenden Alben viel mehr Arrangements mit akustischen Instrumenten und war für mich das reinste Gitarrenschlaraffenland. Ich merke heute noch, dass dieses Album meinen Gitarrenstil geprägt hat.

Perspective Magazine :
Hast du dir die Noten von den Roxette-Songs besorgt?

Tong:
Nein. Ich hatte Kassetten, auf denen die Musik zu hören war und versuchte, die Gitarrenparts durch Hören und
Zurückspulen nachzuspielen.

Perspective Magazine :
Und wann kam der erste Auftritt?

Tong:
Ich hatte damals jeden Sonntag Morgen einen Auftritt (lacht). Meine Eltern hatten mit den wenigen anderen Hmong-Familien, mit denen sie in Nachbarschaft lebten jeden Sonntag einen Gottesdienst veranstaltet. Meine Eltern sind Christen — soviel zu der Religion, die mir Mom und Dad ans Herz legen wollten. Jedenfalls gab es beim Gottesdienst auch ein Programmpunkt, in dem die Kinder und Jugendlichen Kirchenlieder auf Hmong vortragen mussten. Wir trafen uns morgens vor der Veranstaltung, um die Lieder einzuüben und die Mädchen brachten mir Lieder auf Kassetten mit, die ich mir dann „herausgehört“ habe, damit ich sie mit der Gitarre begleiten konnte.

Perspective Magazine :
Ist das kleine Keyboard dann auf der Strecke geblieben?

Tong:
Ja, aber die „Kirchengemeinde“ investierte in ein größeres Keyboard, mit dem der gemeinsame Gesang begleitet wurde.

Perspective Magazine :
Und diese Aufgabe wurde dir zugeteilt?

Tong:
Nein, der Tochter des Pfarrers. Sie hatte die Gabe, zum schrecklich unrhythmischen Gesang der Eltern immer synchron zu spielen. Ich konnte es nicht, aber bewunderte sie dafür. Ich nahm das Instrument oft nach dem Gottesdienst mit nach Hause in mein Zimmer und übte Right here waiting von Richard Marx (lacht laut).

Perspective Magazine :
Wenn man sich deine Songs von heute anhört, dann kann man sich selbst erklären, dass du zu der sogenannten Kirchenmusik deiner Eltern und den Nachbarn nicht lange stehen konntest. Wann kam der Wandel und was hat den Funken überspringen lassen?

Tong:
Ich war musikalisch auch viel in der Schule aktiv. Ich nahm an Gitarren-Arbeitsgemeinschaften und Musikprojekten teil, die mein Musiklehrer leitete. Mein Musiklehrer war nicht von der Sorte Schulmusiklehrer, wie man sie in aller Regel kennt. Zu dieser Zeit sang er und spielte Violine in einer Rock-Coverband. Er zog es vor, im Unterricht mit den Schülern Lieder von den Beatles und amerikanische Folksongs zu singen und analysierte mit uns die Live-Version von Joe Cockers With a little help from my friends. Ich erzähle gerne von ihm und bin unheimlich froh darüber, dass ich während der ganzen Realschulzeit an seinem Musikunterricht teilnehmen durfte. Auch er prägte mein musikalisches Verständnis mit seinem Engagement stark. Ich denke, dass mich diese Erfahrungen in die Welt der Rockmusik gerückt haben.

Perspective Magazine :
Er hat dir das Verständnis für die Rockmusik auf dem Weg mitgegeben. Irgendwann hast du die Schule aber beendet. Wer hat dich auf diesem Weg weiter begleitet?

Tong:
Der Wandel kam mit einem Schulkameraden. Michi kam von einem Elternhaus, in dem die Musik der Beatles, Pink Floyd und Uriah Heep gehört wurde und er fing gerade an, E-Gitarre zu lernen. So wurde ich schlagartig in die Welt des Classic-Rocks hineingeschossen und wir spielten Led-Zeppellins Stairway to heaven so lange im Wohnzimmer der Eltern, bis uns ein Schlagzeuger in seinen Probekeller unter der Werkstatt seiner Eltern mitnahm. Headless wurde geboren.

Perspective Magazine :
… mit der du dann auch deinen ersten Rockauftritt hattest?

Tong:
Genau. Es dauerte nicht lange, bis sich ein kleines Netzwerk aufspannte, über das wir auch den Kontakt zu einer regionalen Coverband mit dem Namen John Doe pflegten. Sie fragten uns dann eines Tages, ob wir nicht bei einem ihrer Konzerte als Opener spielen wollten. Ich glaube, das war mein erstes Konzert auf einer richtig großen Bühne.

Perspective Magazine :
Wie weit bist du mit Headless gekommen?

Tong:
Wir spielten ungefähr drei Jahre lang zusammen und hatten mit der Zeit eine vollständige Besetzung mit Sängerinnen, einem Bassisten und einer Keyboarderin. Michi und ich schrieben die Songs, die ich dann arrangiert und gesungen habe. Wir hatten dann noch einige kleinere Auftritte in Bars und Jugendclubs und nahmen auch eine CD auf. Aber noch bevor sie richtig angefangen hatte, endete die Geschichte mit einem großen Streit. Die Musiker von John Doe fragten mich, ob ich als Gitarrist bei ihnen einsteigen möchte, weil der zweite Gitarrist die Band verlassen hatte. Ich hatte John Doe schon von Anfang an bewundert und fühlte mich natürlich geehrt, da gab es nichts zu überlegen. Mit Headless wollte ich aber noch weiter spielen und engagierte mich eine Zeit lang in beiden Bands. Michi konnte sich damit überhaupt nicht anfreunden.

Perspective Magazine :
Der Streit spielte sich zwischen dir und Michi ab?

Tong:
Ja. John Doe hatte sich darauf ausgerichtet, Coversongs auf Festen und Partys zu spielen und Michi — ein Idealist — meinte zu mir, ich solle meine Seele nicht an den Teufel aus der Kommerzhölle verkaufen. Der Streit entbrannte und als sich der Rauch verzogen hatte, sah man von Headless lediglich die weit verteilten Trümmerteile. Es machte keinen Sinn mehr, wieder alles aufzubauen. Jeder ging seine Wege und ich ging zu John Doe.

Perspective Magazine :
Also hat der sogenannte „Teufel aus der Kommerzhölle“ sein Geschäft gemacht…? image

Tong:
In der Hinsicht: Ja. Aber mir ging es damals schon darum, Spaß an der Musik mit den Leuten zu haben, mit denen man sich versteht. Man darf sich von idealistischen Werten nicht zu sehr blenden lassen.

Perspective Magazine :
Wie endete es mit John Doe (grinst)?

Tong:
Mit einem Streit (lacht). Ja, wirklich! Nach etwa drei, oder vier Jahren wurde mir klar, dass es mir zu viel des Guten wurde, weil sich John Doe nach dem bemerkenswerten Aufstieg immer höhere Ziele gesetzt hat. Sie investierten in eine 40-Tausend-Euro- Sound&Light-Anlage und entwickelten sogar Marketing- Strategien. Das Geld musste natürlich über die Konzerte wieder eingespielt werden und da kann man sich denken, dass kein Weg daran vorbei führte, so viele Auftritte wie möglich an Land zu ziehen. John Doe hatte sich in der regionalen Partyband-Szene etabliert und wir waren zu Spitzenzeiten fast zwei bis drei Mal im Monat auf der Bühne. Logischerweise mussten die Proben auch irgendwie untergebracht werden. Und da zog ich dann die Notbremse, noch bevor ich den Vertrag unterschrieben hatte.

Perspective Magazine :
Ich weiß, wie schwer es ist, den Standpunkt zwischen Beruf und Passion richtig zu platzieren. Deiner hatte sich offensichtlich zu stark dem Beruf genähert. Kann sich die Leidenschaft für die Musik in so einer Situation wirklich auflösen?

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Tong:
Nein, das tut sie nicht. Aber in diesem Fall kam sie immer weniger zum Vorschein, und zwar nur noch dann, wenn ich auf der Bühne stand und glückliche Menschen im Publikum sah. Der Rest eines Konzertes war dagegen ziemlich ernüchternd.

Perspective Magazine :
Du meinst den Abbau des Equipments nach einem Konzert? image

Tong:
Ja, und den Aufbau davor, den Hin- und Rücktransport, das Beladen und Entladen des Transporters und so weiter… Bei vielen Bands mag das kein Problem sein, aber bei der Dimension, wie sie bei John Doe herrschte, war es kein Zuckerschlecken. Und das jedes zweite Wochenende…

Perspective Magazine :
War es wieder ein großer Streit?

Tong:
Es war zwar auch eine heftige Erfahrung, aber die Diskussionen liefen vernünftiger ab als die bei der Trennung von Headless. Wir haben uns unmittelbar danach auch wieder vertragen und ich spielte einige Jahre später als Revival-Gastmusiker bei einem Auftritt mit.

Perspective Magazine :
Die nächste Band…?

Tong:
… entstand schon während meiner Zeit bei John Doe. Ich hatte mit Raimund, einem Drummer aus Gammertingen immer wieder Jamsessions in seinem Proberaum. Raimund lernte ich zusammen mit Michi kennen und ich stand schon zu Headless-Zeiten in gutem Kontakt mit ihm. Nachdem sich seine Band ebenfalls auflöste, trafen wir uns zu zweit im Proberaum und ließen uns mit freier Musik treiben. Als klar war, dass ich John Doe entgültig verlasse, gründeten wir darauf hin die Soundsurfers, mit meiner Bedingung, das Projekt auf einer möglichst stressfreien Basis beruhen zu lassen. Zum ersten Mal machte ich Erfahrungen in der Funk- und Soulrock-Ecke und fand auch darin meine Leidenschaft, obwohl wir wieder auch „nur“ Songs coverten. Allerdings gab es einen bedeutenden Unterschied zwischen der Covermusik von John Doe und den Soundsurfers: den bereits existierenden Song in einer neuen instrumentalen Art zu spielen.

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Perspective Magazine :
Diese Art zu covern ist auch heute noch bei deinen Songs erkennbar.

Tong:
Absolut! Ich kann und will mich nicht dagegen wehren, Ideen zu entwickeln, wenn ich bestimmte Songs von großen oder aber auch weniger bekannten Künstlern höre. Einen fertigen Song kann man nicht besser nachspielen, aber man kann die Anerkennung mit einer eigenen Interpretation zum Ausdruck bringen. Und an diesem Punkt gibt es allemal Raum für die Kreativität, auch wenn viele behaupten, die Covermusik sei eine Barriere in der schöpferischen Kunst.

Perspective Magazine :
Wie war die Besetzung der Musiker bei den Soundsurfers?

Tong:
Zu meiner Zeit spielte ich mit Raimund, einem weiteren Gitarristen, einem Bassisten und wir hatten eine Sängerin.
Gegen Ende der Zeit bei den Soundsurfers kam noch eine Keyboarderin und eine Backgroundsängerin dazu.

image Perspective Magazine :
Man hört heraus, dass es dann auch bei dieser Band nicht lange gehalten hat.

Tong:
Ich habe einen neuen beruflichen Weg eingeschlagen, der anfangs sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat und mich später auch dazu veranlasste, nach Karlsruhe zu ziehen. Das war der Grund, warum ich die Soundsurfers nach ebenfalls drei Jahren verlassen und erst einmal eine „bandmusikalische Auszeit“ genommen habe. Trotz allem fand ich die Zeit mit den Surfers wirklich aufregend und ich habe nicht nur die Band verlassen, sondern bin auch aus einem tollen Freundeskreis ausgetreten.


Perspective Magazine :
Wir rücken immer näher in die Gegenwart. Hat deine Auszeit lange angehalten?

Tong:
Nein, natürlich nicht (grinst). Kurz nachdem mein Studium in Karlsruhe angefangen hat, also etwa ein Jahr nach der Trennung von den Soundsurfers lernte ich Matze kennen. Er hatte als Bassist auch eine längere Pause ohne Band hinter sich und kam dann mit Georg, einem Keyboarder zusammen. Mit Mathias, einem Gitarristen und Markus, einem Saxophonisten veranstalteten sie etwa drei Monate lang Jamsessions in Georgs Proberaum. Ich kam dann dazu und die Besetzung vervollständigte sich in kurzer Zeit mit Elisa und Tobi. Das klassische Set einer Rockband mit Matze, Georg, Tobi am Schlagzeug, Elisa als Frontsängerin und mir an der Gitarre entstand dann letztes Jahr im Dezember, als Markus und Mathias ausgetreten sind.

Perspective Magazine :
Wie beschreibst du die Musik, die ihr macht?

Tong:
Wir covern! (lacht)

Perspective Magazine :
Betrachtest du es als Fluch oder als Segen, nicht von der Covermusik weg zu kommen?

Tong:
Ich sehe das Covern keinesfalls als Fluch und es ist nicht mein Ziel, irgendwann von der Covermusik weg zu kommen. Ich finde es gut, dass es diesen Bereich in der Musik gibt. In keiner anderen Art von Kunst ist das Nachbilden von Werken in so einem Ausmaß vertreten. Trotzdem bin auch froh darüber, dass ich in diesem Jahr wieder angefangen habe, eigene Songs zu schreiben. Ich betrachte es noch als Eigenprojekt und möchte die Songs der Band nicht aufdrücken, obwohl sie schon die Bereitschaft bekundet haben, das eine oder andere Stück in die Setlist aufzunehmen. Auch ich hätte nichts dagegen. Im Moment fahren wir mit den Coversongs aber auch ganz gut und ich denke, wir überlassen es dem Verlauf der Zeit, wie sich unser Repertoire weiter entwickelt.

image Perspective Magazine :
Denkst du, dass in der jetzigen Band dir der Stress auch irgendwann mal über den Kopf hinaus wachsen könnte?

Tong:
Nein, das denke ich nicht. Jeder von uns hat seine eigenen Erfahrungen in der Musikwelt gemacht und weiß deswegen auch, dass ein übertriebener Aktionismus die Freundschaft stark schaden kann. Das wollen wir nicht aufs Spiel setzen und haben von Anfang an die Grenzen und Ziele klargestellt.

Perspective Magazine :
Wie sehen eure Ziele für die Zukunft denn aus?

Tong:
Es wird mit großer Sicherheit nicht so verlaufen, wie es bei John Doe der Fall war und ich denke, dass ich hier für die gesamte Band sprechen kann. Wir freuen uns über jede Probe, bei der man sich trifft und wenn uns hin und wieder Freunde fragen, ob wir auf ihren Festen spielen wollen, dann rollt auch mal ein Gig an. Wir können uns auch vorstellen, mal ein Initiativkonzert zu organisieren, aber dann wird es sich in einem überschaubaren Rahmen abspielen. Jedes Bandmitglied hat außerhalb der Band noch andere Aufgaben und auf die wird zu aller erst Rücksicht genommen. Manchmal sieht es so aus, als würden wir uns auf einen Kaffee, oder auf ein Bier im Proberaum treffen und nebenbei etwas Musik machen. Natürlich will ich es nicht so darstellen, als würden wir nur faulenzen. Wir machen das, was uns Spaß macht.

Perspective Magazine :
Du drehst der Musikkarriere also den Rücken zu?

Tong:
Nein, so schlimm ist es auch wieder nicht (grinst). Im Moment möchte ich an dieser Situation nichts ändern und solange ich in der Lage bin, weiterhin auch eigene Projekte auf die Beine zu stellen, bin ich mit der (Musik-) Welt zufrieden. Ich denke, ich kann das Kapitel zum Thema Sex, Drugs And Rock’n’Roll soweit als Erfahrung abschließen und konzentriere mich erst mal auf das Studium. Was danach kommt, ist noch nicht bis aufs Einzelne durchgeplant…

Perspective Magazine :
Zum Schluss möchte ich dir noch die ultimative Frage stellen…

Tong:
… was mein größter Traum ist?

Perspective Magazine :
Richtig! Ich hätte meinen Job bei der Redaktion gekündigt, wenn ich dir diese Frage nicht gestellt hätte…

Tong:
Hm. So leicht lässt sich diese Frage nicht beantworten. Ich habe da so einige… (lacht) Aber der erste, der mir im Bereich der Musik gerade einfällt wäre, mit Peter Gabriel ein Duett aufzunehmen.

Perspective Magazine :
Das klingt aufregend und gar nicht so utopisch…

Tong:
Nun ja, ich müsste noch sehr viel tun um das zu erreichen. Aber es ist ein schöner Gedanke.

Perspective Magazine :
Auf jeden Fall wünsche ich dir Glück und Erfolg in dem was du tust und noch tun wirst und danke dir — auch im Namen der Perspective Magazine-Redaktion — für dieses Gespräch und für deine Offenheit. Was wirst du noch mit der restlichen Zeit in New York machen?

Tong:
Ich werde heute Nacht in die King Cole Bar gehen. Al Pacino soll angeblich oft dort sein… Ebenfalls vielen Dank und alles Gute!